Frühlingszeit ist Düngezeit

Sobald die Medien jetzt in der Düngezeit wieder von überhöhten Nitratwerten im Grundwasser berichten, sind sich vermeintliche Experten schnell über die Ursachen einig und die Schuldigen ebenso schnell gefunden: Die Landwirte mit ihrem unkontrollierten Einsatz von Gülle, die sie im Frühjahr in übermäßigen Mengen auf den Feldern ausbringen, nur um einen maximalen Ernteertrag zu erzielen. Dadurch würden sie die Gesundheit aller gefährden, wird oft behauptet. Dieser Vorwurf ist so nicht haltbar und wird auch durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Denn der organische Dünger - Gülle oder Stallmist - enthält selbst kein Nitrat. Erst durch die Umsetzung der organischen Masse im Boden wird der in Gülle und Stallmist enthaltene Stickstoff durch Bodenlebewesen in Nitrat umgesetzt. Dieser Prozess findet auch überall dort statt, wo keine Gülle oder sonstige Wirtschaftsdünger ausgebracht werden. Abhängig von unterschiedlichen, zum größten Teil nicht beeinflussbaren Faktoren. Daher werden überhöhte Werte auch in Regionen gemessen, in denen es überhaupt keine oder kaum Tierhaltung gibt. Das Problem ist nicht das bewusst übermäßige, sondern das Düngen zum falschen Zeitpunkt oder ohne Ermitteln des tatsächlichen Nährstoffbedarfs der Pflanzen.

Was ist Nitrat?

Nitrat ist eine Bindungsform des Stickstoffs, die im Boden unter natürlichen Verhältnissen vorkommt und von Pflanzen als Nährstoff benötigt wird, um daraus Eiweiß zu bilden. Es besteht aus den Elementen Stickstoff (N) und Sauerstoff (O). Die chemische Formel lautet NO3.

Nitrat an sich ist ungefährlich und lebenswichtig nicht nur für Pflanzen, sondern auch für Tiere und den Mensch.  Dessen durchschnittliche Tagesaufnahme an Nitrat liegt zwischen 50 und 160 Milligramm.  Davon stammen circa 70% aus dem Verzehr von Gemüse, 20% vom Trinkwasser und rund 10% aus gepökeltem Fleisch. Zur Gefahr für die Gesundheit kann Nitrat aus Lebensmitteln bei der Umwandlung von Nitrat zu Nitrit durch die Einwirkung von Bakterien (im Mundraum oder Magen) werden. Daraus kann Nitrosamin entstehen und das ist potenziell krebserregend. Diese krebserregenden Nitrosamine entstehen aber überwiegend bei der Erhitzung von Speisen.

Gesetzlich vorgegebene Höchstwerte für Nitrat in Lebensmitteln

Der nach Trinkwasserverordnung vorgegebene Nitrat-Höchstwert beträgt 50 mg/Liter. Beim Trinkwasser der Wahnbachtalsperre liegt er mit durchschnittlich 20 mg/Liter sogar deutlich unter der zugelassenen Höchstmarke und damit noch weit unter der für pflanzliche Lebensmittel. Zu den nitratreichsten unter diesen gehören beispielsweise frischer Spinat mit einem erlaubten Höchstwert von 3500 mg /kg, frischer Salat mit einem Höchstwert von 5000 mg/ kg und Rucola mit einem Höchstwert von 7000 mg/kg in der Wintererntezeit. In Anbetracht dieser Vergleichszahlen von einer „Verseuchung“ des Grundwassers durch Nitrat zu sprechen, wie es immer wieder geschieht, ist zumindest irreführend. Zumal der Verzehr von frischem Gemüse trotz der Nitratbelastungen beispielsweise als Vitaminlieferant ausdrücklich empfohlen wird. Verzichten sollte man dagegen auf den übermäßigen Genuss von geräuchertem Fleisch sowie auf das Grillen von gepökeltem Fleisch wie Kassler oder Wurst. Denn dabei entstehen die gefährlichen Nitrosamine.

Regulierung von Nitrat in der Landwirtschaft

Das benötigte Nitrat wird Pflanzen in der Landwirtschaft mit synthetisch, industriell  hergestelltem Mineraldünger oder organischem Dünger (Stallmist, Gülle, Komposte, Klärschlamm, Gärreste) zugeführt. Die im Trinkwasser enthaltene Nitratmenge von 50 mg/Liter würde nämlich nicht ausreichen, um marktfähige Ware, also Ware, die den Qualitätsansprüchen der Verbraucher genügt beziehungsweise den Landwirten als Standard vom Handel vorgegeben sind, zu produzieren. Daher ist jeder Landwirt gut beraten, Mineraldünger oder organischen Dünger gezielt einzusetzen. In der Düngemittelverordnung ist eine Obergrenze für den Einsatz von Gülle und Mineraldünger (Kunstdünger) genau festgelegt.

Einsatz von Mineraldünger und organischem Dünger

Mineraldünger ist teuer und wird unter großem Energieverbrauch hergestellt. Sein Vorteil: Nitrat kann ganz gezielt den Pflanzen bedarfsgerecht zugeführt werden, die es sofort aufnehmen. Dadurch ist die Gefahr der Auswaschung geringer.

Organischer Dünger ist günstig, seine Wirksamkeit aber witterungsabhängig. Die Kunst in der biologischen wie konventionellen Landwirtschaft besteht somit darin, bedarfsgerecht zu düngen. Das kann man allerdings nicht nach einer mathematischen Formel. Eine optimale Düngung hängt vom jeweiligen Ertragspotenzial der Fläche, der darauf wachsenden Pflanzenart, dem Zeitpunkt der Ausbringung des Düngers und vor allem von der Witterung im Laufe der Vegetationsperiode ab. Die ist aber nicht vorhersehbar und zu steuern. Daher ist eine Nitratverlagerung schon einmal möglich, selbst wenn der Landwirt gesetzeskonform nicht mehr als 170 kg Stickstoff pro Hektar Fläche ausgebracht hat. Der Stickstoffgehalt von Gülle (NH4, Nog) und Boden (NH4, NO3) wird übrigens vor jeder Ausbringung exakt gemessen.

Wirtschaftliche Aspekte

Eine Überdüngung, also mehr organischen oder Mineraldünger auszubringen als die Pflanzen benötigen, ist schon aus wirtschaftlicher Sicht unsinnig. Denn beides kostet den Landwirt viel Geld. Die in Deutschland produzierten Mengen an organischem Dünger können den Nährstoffbedarf der Pflanzen nicht decken. Er muss also auf jeden Fall zusätzlich teuren Mineraldünger einsetzen. Daher kommt für ihn ein „unkontrolliertes“ Ausbringen von organischem Dünger (Gülle) in großen Mengen schon aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten eigentlich nicht infrage. Zudem versteht es sich von selbst, dass die Landwirte mit den Böden als ihrem wichtigsten Gut zur Produktion von Lebensmitteln gewissenhaft und pfleglich umgehen.
Probleme gibt es in Regionen mit intensiver Tierhaltung, wo nicht genügend landwirtschaftlich genutzte Flächen zum Ausbringen der Gülle zur Verfügung stehen, das Aufkommen an organischem Dünger also höher ist als der Nährstoffbedarf der dort angebauten Pflanzen. Die wertvolle Gülle wird dann in Regionen verbracht, wo aufgrund fehlender Viehhaltung Bedarf besteht. Der Transport ist allerdings aufwendig und teuer. Zum Teil bezahlen die Abnehmer die Kosten, zum Teil diejenigen, bei denen die Gülle anfällt. Es besteht ein Verteilproblem, denn insgesamt wird in ganz Deutschland weniger Gülle produziert als Bedarf besteht. Dieses Defizit wird mit dem Einsatz von Mineraldünger ausgeglichen.

Gewässerschonende Düngung mit Gülle beim ALWB

Der Arbeitskreis Landwirtschaft, Wasser und Boden im Rhein-Sieg-Kreis (ALWB) berät Landwirte in den Wasserschutzgebieten des Wahnbachtalsperrenverbandes zum optimalen Einsatz von Mineral- und Wirtschaftsdünger. Hierzu werden vom ALWB durch fahrbare Bodenprobenentnahmegeräte ganzjährig Bodenproben entnommen. Die Analysenergebnisse sind die Grundlage für die weitere Düngung. Für jedes Feld und jede Boden- und Kulturart wird die für ein ausreichendes Pflanzenwachstum benötigte Düngemenge exakt bestimmt. Dabei werden die Nährstoffe aus Wirtschaftsdüngern genauso wie aus anderen Nährstoffquellen berücksichtigt.

Durch den Einsatz eines Gülleausbringers mit bodennaher Verteiltechnik wird Gülle vom ALWB zum richtigen Zeitpunkt, also dann, wenn Pflanzen die Nährstoffe zum Wachstum benötigen, auf Äckern und Wiesen ausgebracht. Durch die moderne Ausbringungstechnik kann die Gülle emissionsarm in den Boden eingearbeitet werden und steht den Pflanzenwurzeln direkt zur Verfügung. Das bedeutet letztendlich auch aktiven Gewässerschutz.

Konsequenzen für die Landwirtschaft ohne Dünger

Der komplette Verzicht auf den Einsatz von mineralischem oder Wirtschaftsdünger hätte zur Folge, dass die Böden mangels Nährstoffzufuhr langfristig verarmen und damit unfruchtbar würden. Es träte eine Versteppung wie in afrikanischen Ländern ein. Ein Anbau von Pflanzen und damit die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln wäre nicht mehr möglich, die Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet.